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Andreas Keller

kellerZukunftsweisendes Beratungskonzept der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz ausgezeichnet im FitDeH Wettbewerb „Exzellente Beratung für ein zukunftsfähiges Handwerk“
Interview mit Herrn Andreas Keller, in seiner Funktion als Bereichsleiter des Geschäftsbereichs Beratung in der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz
Herr Keller Sie beschäftigen sich mit den Herausforderungen der Zukunft für Handwerksbetriebe – was hat sich in den letzten Jahren geändert?

avatar1 Aus unserer Beobachtung sind es im Wesentlichen zwei Aspekte, die die Entwicklung der Handwerksbetriebe in den letzten Jahren maßgeblich beeinflusst haben. Zum ersten hat sich die Abwicklung von Geschäftsvorfällen - auch durch die verstärkte Nutzung elektronischer Medien - um ein Vielfaches beschleunigt. Kunden erwarten heute kürzeste Reaktionszeiten und sind auch nicht mehr bereit,

lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Der Angebotsmarkt ist deutlich transparenter geworden, was die Wettbewerbssituation zusätzlich verschärft und eine Herausforderung, vor allem für kleine Betriebe darstellt.
Als zweiter Aspekt lässt sich ein Trend beobachten, der so auch in der Analyse der Privathaushalte festgestellt wird: es findet eine Polarisierung statt, die zur Folge hat, dass die Zahl der mittelgroßen Betriebe tendenziell abnimmt, auch bekannt unter der Schlagzeile „die Mittelschicht stirbt aus“. Wir beobachten bei etablierten Betrieben vielfach Konzentrationsbemühungen (die mitunter auch durch die Problematik befeuert werden, einen geeigneten Nachfolger zu finden – eine Lösung kann dabei das Verschmelzen mit einem Mitbewerber sein), die zur Bildung größerer Einheiten führen, um letztlich auch konkurrenzfähig bleiben zu können. Gleichzeitig steigt die Gesamtanzahl der Handwerksbetriebe deutlich an, was im Wesentlichen durch kleine und Kleinstunternehmen getragen wird. Insgesamt stellen wir deshalb die Tendenz fest, dass die Handwerksbetriebe entweder wachsen und größer werden oder in sehr kleinen Einheiten mit keinen oder nur sehr wenigen Mitarbeitern operieren. Der klassische „mittlere Handwerksbetrieb“ ist inzwischen deutlich seltener zu finden.

Was ist die größte Herausforderung vor der Betriebe stehen?

avatar1 Sich auf die oben beschriebene Schnelllebigkeit einzustellen ohne dabei die Schwerpunkte zu vergessen, die den jeweiligen Betrieb ausmachen – also die berühmten „Alleinstellungsmerkmale“. Und natürlich muss ein Handwerksunternehmer nach wie vor ein Alleskönner sein, der sowohl in der Werkstatt oder auf der Baustelle, im Büro, am Verhandlungstisch (z.B. mit Banken) und vor allem beim Kunden seinen Mann oder seine Frau steht. Das war früher auch schon so, die Messlatte liegt aber in Zeiten größerer Komplexität, steigender Vernetzung und Geschwindigkeiten nochmal ein ganzes Stück höher.

Sie sind mit der Idee „Zukunftswerkstatt Handwerk“ vom Kompetenz und TransferZentrum FitDeH ausgezeichnet worden zur proaktiven Betriebsberatung mit Vorbildcharakter. In wie weit beobachten Sie veränderte Anforderungen an die Betriebsberatung der Handwerksorganisationen?

avatar1 Für die Betriebsberater gilt Ähnliches wie für die Betriebe. Wir sehen uns heute einer Situation gegenüber, in der ein Betriebsberater in erster Linie der „Kümmerer“ sein muss, der die Handwerksbetriebe an der Hand nimmt, und bei ihren Problemen und Herausforderungen nach besten Kräften unterstützt. Die mannigfaltigen Informationsmöglichkeiten insbesondere im Netz tragen nach unserer Beobachtung nur selten dazu bei, eine wirkliche Orientierung für Betriebe zu geben. Die Berater der Handwerkskammer sind heute mehr denn je gefragt und auch für die Betriebe wichtig, da sie ohne eigenwirtschaftliche Interessen aber mit einem breiten Angebotsspektrum mit den Betrieben gemeinsam Verbesserungen auf den Weg bringen können. Dabei ist es wesentlich, sich nicht in der Vielfalt der Themen zu verlieren und klar zu definieren, welche Aufgaben man selbst übernimmt und bei welchen man sich Partnern (ob in der eigenen Organisation oder außerhalb) behilft.
Für die Zukunftswerkstatt Handwerk gesprochen gilt Folgendes: wir haben in einer Analyse unserer Kontaktquoten festgestellt, dass wir ca. 70% unserer Betriebe der Anlage A (also diejenigen, die einen Beruf mit vorheriger Meisterprüfung ausüben) mit unseren Beratungen erreichen, hingegen nur 40% der zulassungsfreien Handwerke und nur rund 30% der handwerksähnlichen Gewerke. Da aber die größte Dynamik (das größte Wachstum) im nicht reglementierten Bereich (v.a. Anlage B1) stattfindet, muss sich auch die Betriebsberatung um eine stärkere Kontaktquote hier bemühen. Gleichzeitig benötigen etablierte Betriebe, die aktuell schon gut erreicht werden, eine spezielle Unterstützung um sie für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen (z.B. demografische Entwicklung oder auch Technologisierung, um nur zwei Einflussfaktoren zu nennen) fit zu machen.

Was ist für Sie gute Betriebsberatung?

avatar1 Gut ist eine Betriebsberatung dann, wenn die Kunden zufrieden sind – nicht mehr und nicht weniger. Den Satz „da bin ich nicht zuständig“ darf es im Vokabular des Betriebsberaters daher nicht geben. Der Betriebsberater ist immer zuständig und sei es nur als Mittler und Begleiter des Betriebes.
Und – aber auch das im Grunde nichts Neues – die Betriebsberater müssen die Sprache der Betriebe sprechen und ein sehr feines Gespür haben für die Sorgen und Nöte der Betriebsinhaber – nicht selten ist das geäußerte Problem gar nicht die Hauptherausforderung, die es zu lösen gilt. Ein guter Betriebsberater findet dies heraus und hilft dem Betrieb dann umfassend. Das ist eine große Herausforderung, sichert aber zugleich eine nachhaltige und gute Kundenbeziehung.

Was war die Idee, die zur „Zukunftswerkstatt Handwerk“ geführt hat?

avatar1 Zunächst einmal haben wir versucht genau zu analysieren, wo Betriebe der Schuh drückt. Dazu war auch wichtig, die Zielgruppen exakt zu definieren. Als zweiten Schritt haben wir dann die bestehenden Angebote der Beratung geprüft. Nicht immer muss man alle Dinge vollständig neu erfinden, oftmals spielt auch die Art und Weise der Präsentation oder die Tiefe der dargebrachten Informationen eine wesentliche Rolle. Dort, wo wir Bedarfe gesehen haben, die wir noch nicht mit unseren bestehenden Angeboten abdecken konnten, haben wir uns an Neuentwicklungen gemacht.

Wie ist die Umsetzung erfolgt?

avatar1 Im Fokus stand ganz zentral: „Interessiert das die Zielgruppe?“ und „bringt das der Zielgruppe einen Vorteil?“. Wir haben uns einen relativ genauen Plan gemacht, wie wir der Reihe nach vorgehen und zunächst mit einem kleinen Paket aus vier Produkten gestartet, das wir erst nach einer Anlaufphase Zug um Zug erweitert haben. Obligatorisch sind und waren dabei die Evaluationen der einzelnen Bausteine, um zeitnah korrigieren und anpassen zu können. Außerdem haben wir im Rahmen der „normalen“ Betriebsberatungen immer Augen und Ohren offen gehalten, für welche Themen sich die Betriebe, die der Zielgruppe entsprechen, interessieren.
Wie für die Betriebe ist es auch für die Zukunftswerkstatt Handwerk wichtig, nicht stehenzubleiben. So wird das Angebot stetig weiterentwickelt. Der Fokus liegt dabei einerseits auf der Verbesserung und Vertiefung der bestehenden Angebote (so wird bspw. im Frühjahr 2016 der Teil III der „Erfolgsfaktoren für Kleinbetriebe“ gestartet) und andererseits an der zielgerichteten Entwicklung neuer Angebote gearbeitet (ab Winter 2015 Start des „Erfolgs-Checks für Kleinbetriebe“ und ab 2016 gibt es eine eigene Rubrik „Zukunftswerkstatt Handwerk“ im Bildungsprogramm der Handwerkskammer mit Seminarangeboten, die abgestimmt sind auf die Beratungsangebote und integrativ konzipiert sind).

Welche Erkenntnisse haben Sie überrascht?

avatar1 Überraschend war für uns, wie engagiert die TeilnehmerInnen durchgehend waren und wie unterschiedlich die Resonanz auf die Veranstaltungen ausgefallen ist. Die größte Hürde ist, die Betriebe der anvisierten Zielgruppen erst einmal zu einer Teilnahme an einer Veranstaltung zu bewegen. Ist dies aber gelungen, waren die Beteiligung und das Engagement der Teilnehmer durchweg hervorragend und es haben sich schnell intensive Diskussionen ergeben. Schön war auch zu sehen, wie offen die Teilnehmer waren und auch den gegenseitigen Austausch gesucht haben, ohne im Gegenüber gleich den Konkurrenten zu sehen. Eine weitere Erkenntnis ist tatsächlich, dass es nicht planbar ist, wie viele Teilnehmer zu den Veranstaltungen kommen. So haben wir beispielsweise unsere Erfolgsfaktorenvorträge zu exakt den gleichen Terminen, mit dem gleichen Einladungszirkel und –briefen nur an verschiedenen Orten angeboten. In einem Jahr waren die Veranstaltungen so voll, dass wir beinahe überbucht waren, im anderen Jahr wären die Veranstaltungen aufgrund geringer Beteiligung fast ausgefallen.

Haben Sie einen Tipp für den Erfolg von Beratungskonzepten/Projekten zur proaktiven Betriebsberatung?

avatar1 Beratungskonzepte müssen sich am Bedarf der Kunden orientieren. Dazu gilt es, über alle Kanäle – nicht nur die Betriebsberatung, auch die Bildung, die Interessenvertretung und viele weitere – stets den Finger am Puls der Zeit zu haben und wissen, welche Themen die Betriebe bewegen und auf welche Fragen sie Antworten von Ihrer Handwerkskammer erwarten.
Eine Herausforderung ist, wie auch schon angesprochen, das tatsächliche Erreichen der Zielgruppe. Aktuell verfügen die Betriebe über eine hervorragende Auftragslage, was zum einen die Notwendigkeit für Betriebsverbesserungen zumindest ein Stück weit nach hinten rücken mag, zum anderen die Betriebe aber auch zeitlich so in Anspruch nimmt, dass nur wenig Raum ist, Angebote der Beratung in Anspruch zu nehmen. Außerdem zeigt sich auch hier aus unserer Sicht schon der Fachkräftemangel und zwar in der Form, dass die Personaldecken in den Betrieben dünner werden und so der Chef oder die Chefin nur mehr deutlich weniger Zeit für den Betrieb entbehrlich sind.
Aber: und das ist die gute Nachricht: haben Betriebe das Beratungsangebot kennengelernt, werden Sie in vielen Fällen zu „Wiederholungstätern“, weil sie den Nutzen der Beratung zu schätzen gelernt haben und die Zeit gerne investieren.

Welchen Nutzen ziehen Sie aus dem Kompetenz- und TransferZentrum FitDeH?

avatar1 Zunächst einmal den Effekt, den eigenen Blick ausweiten zu können und damit sehen zu können, welche Konzepte und Rezepte anderswo erprobt werden. Denn selbst im Internet auf die Suche zu gehen, welche Organisationen interessante Projekte durchführen ist aus Zeitgründen praktisch nicht möglich. Insofern ist man auf Plattformen, Foren und Empfehlungen angewiesen. FitDeH bietet dabei eine gute Austauschgrundlage.
Wesentlich ist auch die Möglichkeit, mit den Akteuren in Kontakt treten zu können und so Verbindungen aufzubauen, bei denen man sich austauschen kann sowie Erfolge und auch Misserfolge kommunizieren kann. So lassen sich Anregungen für die eigene Arbeit gewinnen. Insbesondere von Bedeutung ist für mich dabei der offene Austausch, damit man selbst die Fehler, die anderswo schon einmal gemacht wurden, nicht noch einmal machen muss und gleichzeitig die Erfolgsfaktoren, die anderswo zu erfolgreichen Projekten geführt haben, adaptieren kann.

Ganz herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg!

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