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Alfred Kailing und Julia Bauer

kailingZukunftsweisendes Beratungskonzept der Handwerkskammer für Schwaben ausgezeichnet im FitDeH Wettbewerb „Exzellente Beratung für ein zukunftsfähiges Handwerk“
Interview mit Herrn Alfred Kailing, in seiner Funktion als Geschäftsbereichsleiter Beratung und Recht an der Handwerkskammer für Schwaben und Frau Julia Maxi Bauer, Leiterin des Kompetenz- und TransferZentrums FitDeH am itb im DHI e.V.
Sie beschäftigen Sie sich mit den Herausforderungen der Zukunft für Handwerksbetriebe – Was ist die größte Herausforderung vor der Betriebe stehen?

avatar1 Herrn Kailing: Das Thema Fachkräfte ist deutlich brisanter geworden, nicht zuletzt weil die Schere zwischen Industrie und Handwerk weiter aufgegangen ist und die Industrie deutlich attraktivere Gehälter bezahlt. Dies erzeugt Druck auf die Handwerksunternehmer, sie stehen mittelbar über die Fachkräfte in Konkurrenz zur Industrie.

Aber auch der demografische Wandel verschärft die Situation und so stellt sich immer mehr für Betriebe die Frage, wie sie Fachkräfte gewinnen können, aber auch, wie sie ihre eigenen Leute im Betrieb binden können. Frau Bauer: Das deckt sich mit unseren Erfahrungen aus den Forschungsprojekten: Aufgrund des demografischen Wandels sowie der veränderten Bildungspolitik stehen immer weniger passende Nachwuchs- und Fachkräfte den Betrieben zur Verfügung. Zudem erhöhen sich ständig die Komplexität und die Schnelllebigkeit von Produkt- und Dienstleistungszyklen – was auch wieder neue Anforderungen an die Mitarbeiter in den Handwerksbetrieben stellt.

Hat sich da etwas verändert in den letzten Jahren?

avatar1 Herrn Kailing: In der Struktur der zu beratenden Betriebe hat sich vieles geändert, und zwar dahingehend, dass es einen starken Zuwachs an B1- und B2-Betrieben (Anm. der Redaktion: Zulassungsfreie Handwerke und handwerksähnliche Gewerbe, bei denen der in denen die Meisterprüfung nicht Voraussetzung für die Selbstständigkeit ist) gegeben hat. Dadurch ist auch der Beratungsbedarf bei Unternehmensinhabern deutlich gestiegen, weil entsprechende Voraussetzungen wie der Meister für die Eintragung bei vielen Betriebsinhabern nicht mehr zwingend sind.
avatar1 Frau Bauer: Diese Erfahrungen machen viele Berater. Aufgrund der zunehmenden Kleinstbetriebe aus dem zulassungsfreien Handwerk fehlt dort Wissen zu den klassischen Techniken der Betriebsführung – wie strategische Betriebsführung, Kommunikation und Führung, Liquiditätsplanung usw. - daher steigen vielfach die Anfragen zu Einzelthemen bei den Betriebsberatern. Zudem beobachten wir aber auch verstärkt Anfragen zu komplexen Themen, die in der zur Verfügung stehenden Beratungszeit pro Betrieb gar nicht vollständig behandelt werden können. Die dabei typische Verbindung und Komplexität der Themen wird auch vom Projekt „Nachhaltige Unternehmenszukunft“ aufgenommen. Die Hilfen und Kooperationen führen zu einer Komplexitätsreduktion – eine wichtige Voraussetzung bei der proaktiven Betriebsberatung.
avatar1 Herrn Kailing: Genau, was man deutlich spüren kann ist, dass „einfache“ Beratungen (wie z.B. Finanzierung) nicht mehr große Nachfrage erzeugen. Der Trend geht hin zu umfassenden und vertieften Beratungen zu den speziellen Problemstellungen der Betriebe. Auch die Fragestellungen werden spezieller.

Welchen Nutzen ziehen Sie aus dem Kompetenz- und TransferZentrum FitDeH?

avatar1 Herrn Kailing: Das Zentrum gibt uns wichtige Impulse um zukünftige Herausforderungen für das Handwerk rechtzeitig zu erkennen und so zu bearbeiten, dass wir daraus für unsere Betriebe eine konkreten Nutzen stiften können. Der jährliche Fachkongress ist für mich ein sehr gutes Beispiel, wie wir die Zukunftsthemen für unser Handwerk greif- und nutzbar machen können.

Frau Bauer. Sie haben 2015 seitens des Kompetenz und TransferZentrums FitDeH zum zweiten Mal den Wettbewerb Exzellente Beratung ausgeschrieben. Was ist die Idee des Wettbewerbs?

avatar1 Frau Bauer: Der Wettbewerb "Exzellente Beratung" hat zum Ziel gute Beratungskonzepte auszuzeichnen, die mit ihren innovativen Konzepten die Handwerksbetriebe unterstützen. Aufgrund der zunehmende Komplexität der Beratungsthemen und den wachsenden Themenfeldern (Wirtschaft 4.0, ...) einerseits und der strukturellen Besonderheit des Handwerks andererseits steht auch die Betriebsberatung der Handwerksorganisationen vor neuen Herausforderungen. Im Wettbewerb suchen wir jedes Jahr praktikable Gestaltungskonzepte, handwerkstaugliche Werkzeuge und strategisch orientierte (proaktive) Vorgehensweisen die den Ansatz einer strategischen Beratung in den Mittelpunkt stellen. Die vom FitDeH Zentrum im Wettbewerb ausgezeichneten Projekte setzen da einen neuen Standard.

Herrn Kailing, Sie sind mit dem Beratungsansatz „Nachhaltige Unternehmenszukunft“ ausgezeichnet worden zur proaktiven Betriebsberatung mit Vorbildcharakter. Was ist für Sie gute Betriebsberatung?

avatar1 Herrn Kailing: Eine gute Betriebsberatung macht aus, dass sie ganzheitlich ist, d.h. sie ist vorausschauend und integrierend. Mit vorausschauend meine ich, dass zukunftsorientiert beraten wird. Mit integrierend ist gemeint, dass das Problem des Betriebs als „Ganzes“ gesehen wird. Das bedeutet, dass nicht mehr fachspezifisch beraten wird, sondern dass die Berater über den Tellerrand hinausschauen und das Umfeld mit betrachten. So fühlt sich der Unternehmer ernst genommen und gut betreut.

Wie wurde das im Projekt „Nachhaltige Unternehmenszukunft“ umgesetzt?

avatar1 Herrn Kailing: Die Handwerkskammer für Schwaben hat einen Beratungsansatz entwickelt um Betriebe auf ihren Weg zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen. Die Idee war, die sämtliche Beratungskompetenzen der Kammermitarbeiter zu integrieren und zu einem ganzheitlichen Beratungsmodell zusammenzufügen. Damit wollen wir auch denen Betrieben eine Leistung anbieten, die kein akutes Problem haben, sondern sich auf Zukunftsfragen vorbereiten möchten.
Mit der finanziellen Unterstützung des bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz haben wir eine Arbeitsgruppe mit Beratern aus verschiedenen Beratungsbereichen ins Leben gerufen. Zusammengefügt ergeben diese Themenbereiche eine nachhaltige Unternehmensführung. Die vier Zukunftsfelder Markt, Umwelt, Mitarbeiter und Region spiegeln die Nachhaltigkeitsdimensionen aus Unternehmersicht wider und bilden den Kern des Beratungsansatzes.
Die Ergebnisse haben wir in einem Handbuch bekannt gemacht, das Berater von anderen Handwerksorganisationen kostenfrei erhalten können. Auch im eigenen Haus wurde die Belegschaft über das neue Beratungsangebot mehrfach informiert.
avatar1 Frau Bauer: Für uns steht bei diesem Projekt die ganzheitliche Sichtweise und Umsetzung der strategischen Betriebsführung – und des strategischen Beratungsprozesses - im Vordergrund. Hier wird erkannt, dass eine nachhaltige Beratung, wie auch eine nachhaltige Unternehmensführung eng zusammenhängen. Mit dem zentralen Ansprechpartner (NUZ Berater), der innerhalb der Ressorts mit allen Kompetenzbereichen der Kammer eng vernetzt ist, wird eine neue Form der proaktiven Beratung angeboten.

Was hat Sie überrascht, bzw. wo sind neue Erkenntnisse aufgetaucht?

avatar1 Herrn Kailing: Wir hatten ehrlich gesagt erwartet, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ sperriger daher kommt und dass niemand greifen kann, was sich dahinter verbirgt. Erstaunlicherweise sind wir aber auf großes Interesse gestoßen, vor allem was die Informationsveranstaltungen betrifft. Das Thema hat in der Beratung eine hohe Resonanz erzeugt. Allerdings ist der Zeitfaktor ein Problem, da Veränderungen im Betrieb langwierig und arbeitsintensiv sind.
avatar1 Frau Bauer: Interessant ist, dass es vermehrt kooperative Beratungsansätze gibt. Zum einen innerhalb der Handwerksorganisationen wie auch zwischen verschiedenen Institutionen. Aufgrund der Wettbewerbssituation ist es unabdingbar Kompetenzen zu bündeln und den Betrieben zur Verfügung zu stellen. Auch daher wurde das Kompetenz- und TransferZentrum gegründet – wir bieten einen Austausch zu Themen und zu kooperativen Beratungsansätzen.

Haben Sie einen Tipp für den Erfolg von Beratungskonzepten und Projekten zur proaktiven Betriebsberatung?

avatar1 Herrn Kailing: Aus der Erfahrung kann ich nur empfehlen, mutig zu sein und auch Zukunftsthemen anzugehen mit dem Risiko, dabei zu scheitern.
Innerhalb der Beratungseinrichtung ist es wichtig, eine gute Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Beratern zu schaffen und den Blick für einen nutzenorientierten Ansatz nicht zu verlieren. Man muss sich immer die Frage stellen, was der Handwerker will und braucht.
Sehr wichtig war dabei, die Themen und das ganze Modell auf Unternehmersicht zu übertragen, was auch bedeutet, den Nutzen für Betriebe herauszustellen. Dabei helfen die Nutzungsargumenten für nachhaltiges Wirtschaften im Handwerksbetrieb auch den einzelnen Beratern bei der Argumentation im Betrieb.
avatar1 Frau Bauer: Wir haben festgestellt, dass es für die Berater insbesondere bei der proaktiven Betriebsberatung, hilfreich ist, wenn Sie auf Beratungsleitfäden zurückgreifen können. Dann muss nicht jeder auf sich allein gestellt Abläufe definieren sondern die Berater können beim Vorgehen im Betrieb auf erprobte Konzepte zurückgreifen. Auch dazu dient der Wettbewerb „Exzellente Beratung“ – wir wollen gute Beratungsansätze bekannter machen um die Berater zu unterstützen.

Ganz herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg!

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